Wie der Mond - mit einer unsichtbaren und einer sichtbaren Seite

"Warum ich immer noch in dieser Kirche bin"? Glaubensgespräch der CV-Zirkel

Geilenkirchen und Erkelenz mit Oberstudienrätin i.K. Rita Weiskorn (14. März 2011)
Vortrag von Frau OStR i.K. Rita Weisskorn
 zum Thema "Aspekte des Glaubens in heutiger Zeit" (2008)
Besuch von Burg Trips am 17.08.2009
Neujahrsempfang am 10. Januar 2010
Ein Baum für Geilenkirchen
Der Zirkel Geilenkirchen feierte 2006 sein 100-jähriges Bestehen. Zur Erinnerung an dieses Jubiläum pflanzte der Zirkelvorsitzende Cbr. Ulrich Derix (BuL), in Anwesenheit der Cartellbrüder und des Bürgermeisters der Stadt Geilenkirchen, Cbr. Andreas Borghorst (Bv), jetzt im Wurmauenpark eine Blumenesche.

"Die Pflanzung dieses Baumes soll zum Ausdruck bringen, dass sich die Zirkelmitglieder für den Erhalt einer lebenswerten Umwelt einsetzen", nannte Cbr. Derix in einer kurzen Ansprache die Beweggründe. Sie solle zugleich ein Zeichen der Verbundenheit mit der Stadt Geilenkirchen und deren Einwohner sein. Der Bürgermeister dankte dem Zirkel für sein stetes und lobenswertes engagement in der Stadt. Das Bild zeigt (von rechts) den Bürgermeister und den Zirkelvorsitzenden beim Pflanzen des Baumes. Cbr. Willi Wild (Ang) (rechts), Initiator der Aktion, leistet tatkräftige Unterstützung.

Für den CV geht es mächtig nach oben

Vertikale Domführung in Aachen fasziniert die Geilenkirchener Mitglieder

GEILENKIRCHEN/AACHEN. Zu ei­ner so genannten „Vertikalen Domführung" im Aachener Kai­serdom waren kürzlich die Mit­glieder des Geilenkirchener CV-­Zirkels mit ihren Damen aufge­brochen.

Diesmal wollten die Teilnehmer den Dom einmal nicht wie ge­wohnt im sakralen Bereich horizontal erleben, sondern neben dem Atrium durch den flankieren­den Treppenturm aufsteigen. Doch bevor es so weit war, wurde durch Gunnar Heuschkel am Bronzemodell der vorgesehene Weg der Führung erläutert und die baulichen Besonderheiten des Doms, des gotischen Turmes und der Chorhalle vorgestellt.

Nach flachen 150 Stiegen, die vielleicht auch als Transportweg befahren wurden, gab ein Zwi­schengeschoss noch Mauerwerk aus karolingischer Zeit frei. Spätere hölzerne Aufbauten waren beim großen Stadtbrand verkohlt und durch Ziegelmauerwerk ersetzt worden. Hier steigt heute das quadratische Glockengeschoss empor, und offene Galerien mit Pultdächern bilden mit der freischwebenden Brücke zum Dach des Oktogons nicht nur den Übergang vom gotischen Turm zum karolingischen Teil, sondern sie wurden bis vor wenigen Jahren bei den Heiligtumsfahrten genutzt, um von dort die Reliquien den Pilgern auf dem Katschhof zu zeigen. Die Verankerung der Chorhalle mit ihren 28 Meter hohen Fenstern nach den statischen Berechnungen von Professor Pirlet als Notmaßnahme wegen der Schäden durch den zweiten Weltkrieg, die Aufhängung des Barbarossaleuchters aus dem Jahre 1170 und der neue Dachstuhl der Chorhalle versetzten die CVer in große Bewunderung.
Benedetto-Rose kommt mit Verspätung

24.07.2007, an-online.de

Geilenkirchen. Die Amtsführung des Cartellverbandes der katholischen deutschen Studentenverbindungen (CV), die mit Stolz seine Heiligkeit Papst Benedikt XVI. unter den 33.000 Mitgliedern hat, war auf Ideensuche für ein passendes Geschenk zum 80. Geburtstag ihres Cartellbruders Ratzinger.

Davon erfuhr Cartellbruder Willi Wild, ein pensionierte Garten- und Landschaftsarchitekt aus Setterich, auf dem Stammtisch des CV-Zirkels Geilenkirchen.

Blitzschnell erinnerte er sich an eine Lions-Rose, die ihm in einem Rosenkatalog aufgefallen war. So dachte er über eine CV-Rose nach. Sein Freund und Cartellbruder Anton Sterzel wurde in die Überlegungen einbezogen und mit spontaner Begeisterung fanden beide den passenden Namensvorschlag «Benedetto-Rose». Schnell einigten sich die CVer entsprechend der Kirchenfarben auf eine weiß blühende Rose mit einem ins Gelb übergehenden Kern.

Sortenschutz

Nun galt es, einen Züchter zu finden und den Sortenschutz zu erreichen. Evald Scholle, ein Rosenzüchter aus Lüdinghausen, erklärte, dass es zwei Jahre dauern würde, bis die Rose pflanzbar sei. Es wurde eine symbolische Übergabe der«Benedetto-Rose» vorbereitet.

Prof. Dr. Heinz Dohmen fertigte als Dombaumeister beim Bistum Essen und Hochschullehrer für Glasmalerei auf Pergament eine Schenkungsurkunde an den Hl. Vater an, die das Bildnis der Rose trägt. Während sich nun mit viel Fachkenntnis und Akribie die Stecklinge zur Strauchrose «Benedetto» entwickeln, wurde die Schenkungsurkunde bei der Audienz bei Papst Benedikt anlässlich seines 80. Geburtstages übergeben.

Cartellbruder Willi Wild stand dabei mit über 100 angereisten CVern in der ersten Reihe und erlebte, wie der Pontifex mit großer Freude das Geschenk entgegennahm. In knapp zwei Jahren wird er wieder dabei sein, wenn die Benedetto-Rose in den vatikanischen Gärten ihren Platz finden wird.
100 Jahre CV-Zirkel Geilenkirchen!

1906 - 2006

Grußworte beim Festakt am 21. Oktober 2006 anlässlich des 100. Stiftungsfestes des CV-Zirkels Geilenkirchen sowie die Festrede von

Privatdozent Cbr. Dr. Matthias Stickler

Grußwort des Bürgermeisters Cbr. Andreas Borghorst
Lieber Vorsitzender Ulrich Derix,
liebe Cartellbrüder,
verehrte Angehörige,
sehr geehrte Damen und Herren,

zum einhundertjährigen Jubiläum gratuliere ich dem CV-Zirkel Geilenkirchen sehr herzlich und überbringe hierzu mit Freude die Grüße von Rat und Verwaltung der Stadt Geilenkirchen. Als besondere Ehre und Auszeichnung betrachte ich es, zu den Jubiläumsfeierlichkei-ten die Schirmherrschaft übernehmen zu dürfen, wofür ich dem Vorstand und den Mitgliedern des Zirkels sehr herzlich danke.

Welchen Stellenwert der Bürgermeister dieser schönen Stadt dem CV-Zirkel und seinem beachtlichen Jubiläum einräumt, wird schon aus dem Veranstaltungsort ersichtlich: Hier in den ansprechenden Räumen des Hauses Basten, der „Villa Hammerschmidt“ Geilenkirchens, führt die Stadt üblicherweise einen Großteil ihrer repräsentativen öffentlichkeitswirksamen Veranstaltungen durch - und genau deswegen gehört der CV-Zirkel heute abend hierhin. Denn auch der Zirkel hat sich – was ich sehr begrüße – entschlossen, dieses außer-gewöhnliche Datum nicht still und unerkannt zu feiern, sondern es vielmehr in repräsentativem Rahmen zu begehen und dabei Ideen und Gedankengut des CV öffentlichkeitswirk-sam darzustellen.

Jeder Bürgermeister kann sich glücklich schätzen, eine solche Vereinigung wie den Zirkel Geilenkirchen in den Stadtmauern zu haben; dies gilt natürlich umso mehr, wenn er diesem Zirkel selbst angehört, worüber ich auch persönlich sehr froh bin.

Denn dieser Zirkel und seine Mitglieder haben es mir unglaublich erleichtert, 1992 als frisch Zugereister in einer mir bis dahin vollkommen unbekannten Stadt unglaublich schnell heimisch zu werden. Gleich bei einem der ersten Besuche des Zirkeltreffens durfte ich die quasi väterliche Fürsorge von Reiner Latten kennenlernen, der sogleich mit Kennerblick auf meine fehlenden Kenntnisse der vorzüglichen gastronomischen Gegebenheiten insbesondere in Hünshoven aufmerksam wurde und noch am selben Abend mit großem persönlichen Einsatz Abhilfe schaffte.

Manch ein fröhlich-ausgelassenes Erlebnis könnte ich erwähnen - keine Sorge, lieber Klaus Hanhoff, ich tue es nicht ! - aber ebenso auch ernste und prägende Gespräche in z.T. schwierigen Situationen, die mir immer wieder Gewißheit verschafften, in diesem Zirkel echte Freunde gefunden zu haben.

Und nicht nur das, wo findet man schließlich eine so liebe Frau und so nette Schwiegereltern ? Natürlich hier im CV-Zirkel Geilenkirchen, der allerdings – ich komme nicht umhin, es zu erwähnen – doch einen großen Makel hat:

Er ist nicht in Geilenkirchen geboren worden! Aber wir alle wissen: Lange Seßhaftigkeit macht irgendwann auch einen solchen Makel einigermaßen wett, und für die Entwicklung der Stadt und ihres gesellschaftlichen Lebens waren und sind die Zugereisten von unschätzbarem Wert!

Liebe Cartellbrüder,
meine Damen und Herren,
als regionale Basisorganisation des CV kommt dem Zirkel Geilenkirchen für Stadt und Region eine hohe Bedeutung zu:

Die Mitglieder des Zirkels sind in vielfältiger Weise eingebunden in das gesellschaftliche Leben der Stadt und prägen an verantwortlichen Stellen das hiesige Geschehen mit. Sie engagieren sich in Politik, Kirche, Wirtschaft, Sport und im sozialen Bereich; mit ihrer im katholischen Glauben verwurzelten Haltung fördern sie an unterschiedlichsten Stellen das gedeihliche Zusammenleben der Menschen in unserer Stadt. In ihrer täglichen Arbeit und im Rahmen ihres außerberuflichen Einsatzes setzen die Mitglieder des Zirkels also die uns CVer vereinenden Prinzipien und Wertvorstellungen in die Realität um, wofür ihnen anläßlich eines solchen Festes ausdrücklich Dank gebührt.

Eine ganz wesentliche Gemeinsamkeit ist – bei aller Verschiedenfarbigkeit – unser Band:

Das Tragen von Farben in Form eines Bandes und einer Mütze war und ist u.a. Ausdruck der Bereitschaft von Verbindungsstudenten, „Farbe zu bekennen“, Stellung zu nehmen und offensiv ihre Grundsätze in der Öffentlichkeit zu vertreten.

„Farbe bekennen“ - auch und gerade gegen den herrschenden Zeitgeist, der nur zu gerne Verbindungsstudententum als überkommen darzustellen und gläubige Christen verächtlich zu machen versucht - ist heute vermutlich noch wichtiger als bei Gründung des Zirkels.

„Farbe bekennen“ – das kann heute beispielsweise heißen, sich immer wieder deutlich zu Wort zu melden, wenn unsere christlich-abendländischen Werte, Traditionen und Lebensformen durch Beliebigkeit, Pseudo-Modernität und Populismus ausgehöhlt werden sollen. Themen, die ein beherztes Einmischen geboten erscheinen lassen, sind in unserer häufig von Oberflächlichkeit, Egoismus und Rücksichtslosigkeit geprägten Gesellschaft leider genug vorhanden; hier liegt sicher eine besondere Verantwortung und Herausforderung für jeden Cartellbruder.

„Farbe bekennen“ möge daher auch in Zukunft die Richtschnur für alle Aktivitäten des Zirkels und seiner Mitglieder sein.

Den Jubiläumsfeierlichkeiten wünsche ich einen harmonischen Verlauf mit vielen fröhlichen Begegnungen und Gesprächen in cartellbrüderlicher Verbundenheit sowie den Cartellbrü¬dern des Zirkels und ihren Frauen schöne Stunden unter Freunden.

CV-Zirkel Geilenkirchen – vivat, crescat, floreat ad multos annos !

In fide firmitas!

Andreas Borghorst (BvBo, S-T)

Bürgermeister

Grußwort des Vorsitzenden im CV-Rat und AHB-Vorstandsvorsitzenden Dr. Karlheinz Götz

Liebe Cartellbrüder,

an dieser Stelle möchte ich die Gelegenheit wahrnehmen und dem CV-Zirkel Geilenkirchen und seinen Mitgliedern zu seinem 100. Stiftungsfest im Namen des CV-Rates und des Altherrenbund-Vorstandes sehr herzlich gratulieren.

Nun könnte ich – wie so oft – über die Zahl 100 und ihre mathematische, religiöse oder historische Bedeutung philosophieren, aber nehmt mir es nicht übel, in Gedanken bin ich immer noch bei den großartigen Festtagen in München anlässlich „150 Jahre CV“. In diesen Tagen hatten der ÖCV und CV gezeigt, welche Potentiale in ihnen stecken.

Was für die katholische Kirche in unserem Lande im letzten Jahr der XX. Weltjugendtag war, das – so bin ich sicher – wird für uns die Münchener Cartellversammlung sein. Dieser Enthusiasmus, der von Jung und Alt ausging, stimmt mich froh. Die Statistik zeigt den Aufwärtstrend. Wir sind auf dem richtigen Weg! Die Trendwende in den letzten Jahren wurde zwar von den Vorständen angeschoben, wie beispielsweise durch die Einführung von Regionaltagen und Berufszirkeln, aber Umset-zung und Engagement mussten von Verbin-dungen und Zirkeln geleistet werden.

Ein von mir gerne verwendetes spanisches Sprichwort besagt:

„Reisender, es gibt keine Straßen, Straßen entstehen im Gehen.“

Hier müssen wir Akademiker in Zirkeln und Verbindungen anpacken. In unseren Firmen sind wir auch immer auf der Suche nach neuen Ideen und Patenten. Dies gilt um so mehr für unseren Cartellverband mit seinen Korporationen.

Dass gerade der CV-Zirkel Geilenkirchen mit dem barocken Regionalfürsten West Cbr Gregor Janßen (RAa) und dem wieselflinken Vorsitzenden Cbr Ulrich Derix (BuL) ein leuchtendes Beispiel darstellen, sollte nicht unter den Scheffel gestellt werden.

Liebe Cartellbrüder, Euch darf ich abschließend zu Eurem runden Stiftungs-fest an diesem Wochenende viele fröhliche Stunden im Kreise Eurer Zirkel-mitglieder wünschen und Euch zurufen:

Vivat, crescat, floreat

CV-Zirkel Geilenkirchen

ad multos annos.

Dr. Karlheinz Götz (Rup)

Vorsitzender im CV-Rat

Grußwort des Zirkelvorsitzenden Ulrich Derix
Der CV – Zirkel Geilenkirchen feiert voll Stolz sein 100–jähriges Bestehen. Aus diesem Anlass entstand die vorliegende Festschrift, die einen Einblick in das Leben des Zirkels im Wandel der Zeiten geben soll. Leider liegen aus der Zeit bis zum Verbot unter den Nationalsozialisten so gut wie keine Dokumente mehr vor. Daher bilden die Berichte der Zeit von der Wiederbegründung 1946 bis in die Gegenwart den Schwerpunkt. Ich danke allen, die diese Festschrift erstellt und dieses Fest mit viel Engagement vorbereitet haben.

Ich begrüße alle Gäste, Freunde und Förderer unseres Zirkels, sowie alle Cartellbrüder ganz herzlich zu unserem Fest. Ich wünsche allen frohe und unbeschwerte Stunden der Begegnung. Dabei denke ich besonders an die Cartellbrüder, die einmal zum Zirkel gehörten und heute zur Feier nach Geilenkirchen gekommen sind.

100 Jahre Bestehen sind zunächst all jenen Mitgliedern zu verdanken, die an den regelmäßigen Treffen teilnahmen und heute noch teilnehmen; des weiteren jenen Cartellbrüdern, die als Vorsitzende unter oft großem Zeitauf-wand das Zirkelleben mit Ideen füllten und in Schwung zu halten suchten.

Wir sind als Mitglieder unseres Verbandes gefordert, christliche Wertvor-stellungen in unsere Gesellschaft zu tragen. Es ist unsere selbstverständliche Pflicht, Verantwortung in Gesellschaft, Kirche und Politik zu übernehmen. Grundlage unseres Handelns sind unsere Prinzipien religio, amicitia, scientia und patria. Diese zu wahren ist eine Aufgabe als Teil unseres Verbandes, angehenden Akademikern die Attraktivität des CV vor Augen zu führen eine weitere.

So wünsche ich unserem Zirkel ein „Vivat, crescat, floreat ad multos annos!“

Ulrich Derix (BuL, Wf, GrL, Bs)

Vorsitzender des CV-Zirkels Geilenkirchen

Weitere Grüße übermittelten:
Gregor Janßen für den Cartellverband
Cbr. Josef Vieten für den CV-Zirkel Erkelenz

Festrede Privatdozent Dr. Matthias Stickler

"Avantgarde einer demokratischen Gesellschaft oder behäbi-ger Traditionsverband? Der CV im 21. Jahrhundert "

Verehrte Damen, liebe Cartell- und Bundesbrüder, meine sehr geehrten Damen und Herren!

Es ist mir eine große Freude und Ehre, dass ich heute anlässlich der Feierlichkeiten zum 100. Stiftungsfest des CV-Zirkels Geilenkirchen die Festrede halten darf. „Avantgarde einer demo-kratischen Gesellschaft oder behäbiger Traditionsverband? Der CV im 21. Jahrhundert“, so habe ich meine Rede überschrieben, eine Fragestellung, die in ihrer apodiktischen Gegenüberstellung miteinander unvereinbarer Aussagen durchaus als Provokation gemeint ist, als Provokation nicht jedoch im Sinne einer effektheischenden, aber inhaltsleeren rhetorischen Geste, wie wir sie im-mer wieder in den Medien beobachten können; nein, ich will vielmehr provozieren im Sinne der sokratischen Erkenntnistheorie, die durch radikale Infragestellung des scheinbar selbstverständ-lichen zu einer höheren Form der Einsicht in Zusammenhänge führen will.

Stellen wir uns in diesem Sinne dem Bild, das in einer breiten Öffentlichkeit über die studenti-schen Verbindungen existiert; für diese sind Verbindungen in der Tat bestenfalls behäbige Tradi-tionsvereine, vielfach werden sie auch mit hämischem bis alarmis-tischem Unterton als Fußkranke des gesellschaftlichen Fortschritts oder tendenziell gefährliche, im Verborgenen arbeitende Ge-heimbünde apostrophiert. In der veröffent-lichten Meinungen werden die studentischen Verbindungen, sofern man sie nicht öffentlichkeitswirksam skandalisieren kann, zumeist ignoriert, wie man zuletzt bei den Feierlichkeiten zum 150. Geburtstag des CV feststellen konnte; der Brief des Chefre-dakteurs des Münchener Merkur, der in der letzten Academia abgedruckt wurde, war in dieser Hinsicht sehr aufschlussreich. Vor 1933, aber auch noch in den 50er und frühen 60er Jah-ren des vergangenen Jahrhunderts war dies einmal anders und der seither eingetretene Wandel hängt natürlich auch damit zusammen, dass die Verbindungs-studenten heute eine verschwindende Minderheit der Studenten (maximal zwei Prozent) repräsentieren; im Zeitalter der Massenuni-versität, einer pluralistisch aufgefächerten Massenkultur und angesichts eines, trotz vieler öffent-licher gegenteiliger Bekundungen, gesamtgesellschaftlich deutlich dominierenden Werterelativismus sind Gesinnungs-gemeinschaften, und um solche handelt es sich ja bei Verbindungen stets, in der Tat unzeitgemäß und diffusen Verdächtigungen ausgesetzt, entziehen sie sich doch dem allgemeinen Trend. In der Außenwahrnehmung herrschen über die studentischen Verbindungen interessanterweise, wie oben bereits angedeutet, zwei sich widerspre-chende Sichtweisen vor: Zum einen werden sie als anachronistische Relikte, als Ver-einigung ständig fechtender, saufender und feiernder Zivilversager belächelt, deren männerbündische Verfasstheit der Überdeckung der eigenen intellektuellen und psychischen Defizite dient, zum andern fürchtet man sie jedoch als höchst effizient im Verborgenen arbeitende logenähnliche Bruderschaften, die über ein enges Beziehungs-geflecht die Schlüsselstellungen des Staates in ihrem Sinne kontrollieren, manchmal werden die Verbindungen sogar als geistige Wegbereiter einer „völkischen APO“ denun-ziert. Auch ein Verweis auf die vielen Verbindungsstudenten, die hohe und höchste Funk-tionen in unserer Republik bekleiden – hier in Nordrhein-Westfalen etwa unser Cartell-bruder Dr. Jürgen Rüttgers als Ministerpräsident –, nützt da nichts, dies wird vielmehr als weiterer impliziter Be-weis für das Vorhandensein „rechter“ Seilschaften in Verwaltung, Wirtschaft und Gesellschaft gedeutet. Bezeichnend für diese Form der öffentlichen Verächtlich- oder Verdächtigmachung des Verbindungsstudententums ist hierbei zum einen, dass die sonst allenthalben vehement eingefor-derte Toleranz gegenüber abweichenden Meinungen und Minderheiten für Verbindungen offensichtlich nicht gilt, zum andern, dass gerade diejenigen, die sonst immer einer unangepassten und selbstbestimmten Lebensweise das Wort reden, die in der Tat von der verbreiteten Norm unserer nachbürgerlichen nivellierten Mittelstandsgesellschaft abweichende verbin-dungsstudentische Lebensweise offensichtlich als Provokation empfinden. Sollte etwa am Ende der Verbindungs-student der wahre unangepasste Alternative sein, der sich den vorwaltenden gesellschaftlichen Trends konsequent verweigert? Ich werde diesen Gedanken später noch einmal aufgreifen.

Ich habe in meinem Vortragstitel den Begriff Avantgarde verwendet, man könnte auch von Elite sprechen. Studentische Verbindungen haben als Lebensgemeinschaften von alten und jungen Akademikern allein schon historisch etwas mit Elitebildung zu tun. Dies ist ja auch ein Argument der Gegner von Verbindungen, die diesen unterstellen, sie setzten durch Seilschaften demokrati-sche Spielregeln außer Kraft. Hinter dieser Argumentation verbirgt sich indes nur notdürftig ein grundsätzlich gebrochenes Verhältnis dieser Kritiker zum Elitebegriff, der in ähnlicher Form vielfach in unserer Gesellschaft zu beobachten ist. Es war in Deutschland lange nicht en vogue, Eliten das Wort zu reden, dies widersprach den herrschenden egalitären Tendenzen unseres wohl-fahrtsstaatlichen Systems, es widersprach aber v.a. zwei seit den Bildungsreformmaßnahmen der 60er und 70er Jah-ren des vergangenen Jahrhunderts lange Zeit nicht hinterfragten reformpädagogischen Grundüberzeugungen, dass nämlich erstens das Vorhandensein von Eliten eine Konse-quenz sozialer Ungleichheit sei, deren Förderung insofern die Spaltung der Gesellschaft voran-treibe und die Begüterten bevorzuge, und dass zweitens der Einzelne unbegrenzt bildbar sei, es demnach nur auf die richtige Förderung ankomme, um ein gleichmäßig hohes Bildungsniveau zu erreichen.

Waren diese Thesen anfangs eine durchaus nachvollziehbare korrigierende Reaktion auf sozial selektierende Mechanismen des gegliederten Schulsystems alter Art, so erleben wir indes nun schon seit Jahrzehnten die verheerenden Folgen einer maßlosen Überstei-gerung solchen Denkens, nämlich die unaufhörliche Nivellierung des Leistungsniveaus unserer Schulen und Hochschulen nach unten, die Überfüllung zumal der Universitäten und die Verschiebung der Selektionsfunk-tion der Bildungseinrichtungen auf den Arbeits-markt, eine Tendenz, die zunehmend die Leis-tungsfähigkeit unseres Bildungssystems und damit die Zukunftsfähigkeit unseres Landes bedroht. Die PISA-Studie und die OECD-Berichte über das deutsche Hochschulsystem haben bei aller berechtigten Kritik, die man im Detail an diesen Untersuchungen äußern kann, die Missstände und Defizite gnadenlos und dankenswerterweise auch im Vergleich der Bundesländer aufgezeigt. Wir könnten bei diesen Fragen einiges lernen von den angelsächsischen Ländern, insbe-sondere den Vereinigten Staaten von Amerika, wo zum einen der Gedanke des Wett-bewerbs, des Verzichts auf Reglementierung und Nivellierung sehr stark ausgeprägt ist, und zum andern die Förderung der Absolventen durch Fraternities (der amerikanischen Form der Studentenverbin-dung), Clubs, Ehemaligenvereine etc. eine von kaum jemand in Frage gestellte Selbstverständ-lichkeit ist, die Leistung aber nicht ersetzen, sondern sie im Gegenteil belohnen soll. Nun sind die Verhältnisse in den USA mit den unseren zugegebenermaßen nur bedingt vergleichbar und auch die im Zuge des Bologna-Prozes-ses, also der Einführung von Bachelor- und Masterstudiengängen, zu beobachtenden Amerikanisierungstendenzen werden an den zwei entscheidenden Säulen des deutschen Hochschulwesens praktisch nichts ändern, nämlich an der Tatsache, dass die Universitäten in ihrer überwiegenden Mehrheit von Bund und Ländern finanzierte Staatsanstalten bleiben und dass sie keine Erziehungsverantwortung für ihre Studenten aufgebürdet bekommen werden. Schaut man sich die heutige Situation an unseren Hochschulen einmal vorurteilsfrei an, so kommt man zu einem scheinbar paradoxen Ergebnis: Zum einen ist der Student der Gegenwart ganz offensichtlich gesichtslos geworden, eine eigenständige, vom Außenstehenden als typisch studentisch wahr-zunehmende Subkultur existiert weitgehend nicht mehr, sie ist vielmehr Teil der allgemeinen Jugendkultur geworden, und hat damit ihren spezifisch akademischen Charakter, dem ja stets auch etwas selbstbewusst elitäres innewohnte, eingebüßt. Diese Tatsache vermag letztendlich nicht zu verwundern, fügt sie sich doch ein in die allgemeinen gesellschaftlichen Entwicklungstendenzen. Doch ist sie darüber hinaus, wie ich meine, auch ein Indiz für die weitgehende innere Distanzierung der Mehrheit der Studenten von ihrer Universität, die eben nicht mehr als Lebensmittelpunkt in einem prägenden Abschnitt der eigenen Biographie, sondern als Dienstleistungsunternehmen begriffen wird, der der „Studi“ gleichsam als Kunde gegenübertritt. Trotzdem ist seit den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts wieder ein wachsendes Interesse an Studentenverbindungen zu beobachten, die meisten Verbände konnten sich auf reduziertem Niveau konsolidieren und wieder die Mitgliederzahlen steigern. Wir haben dies bei meiner Ver-bindung v.a. in den neunziger Jahren dankbar erleben dürfen. Mein Biername Decimus – der zehnte Fux – zeugt davon. Auch im Gesamten CV sind die Rezeptionszahlen in den letzten Jahren ja wieder erfreulich gestiegen. Die oben skizzierte tendenziöse Berichterstattung in Teilen der Medien mit der Zielsetzung, den Verbin-dungen das Existenzrecht abzusprechen, spricht ebenfalls eher gegen einen völligen Bedeutungsverlust des Korporationswesens, würde man sich doch wohl kaum mit diesem Phänomen befassen, wenn es wirklich so marginal und anachronistisch wäre, wie die Kritiker behaupten. Auffällig ist, und dies wird von den Gegnern des Verbin-dungswesens auch mit Sorge registriert, dass nach dem weitgehenden Zerfall der politischen Ausdrucksformen der 68er-Bewegung und der sie tragenden politischen Zirkel in der Studentenschaft im Grunde die Korporationen als einzige weitgehend stabile studentische Organisations-formen zurückgeblieben sind. Neben ihnen haben bezeich-nenderweise nur diejenigen politischen Gruppen überlebt, die sich an eine der großen Volksparteien anlehnen bzw. sich mittels AStA-Zwangsbeiträgen über Wasser halten können, weiterhin die christlichen Hochschulgemeinden, die ebenfalls von Staat und Kirchen subventioniert werden. Die von den Altherrenschaften finanziell und ideell unterstützten Activitates erweisen sich trotz immer wieder vorkommender gelegentlicher Einbrüche in personeller Hinsicht als nicht zu unterschätzende mobilisierbare Kraft. Wenn zu Recht darauf verwiesen wird, daß bundesweit nur noch etwa 2% der Studenten korpo-riert seien, so wird man doch fragen dürfen, welche anderen studentischen Vereinsformen für sich in Anspruch nehmen können, 2% der Studentenschaft (in Zahlen ca. 25.000 junge Men-schen) zu repräsentieren; etwa ein Fünftel dieses Potentials sind übrigens unsere aktiven CVer.

Dennoch gilt es, eindringlich zu warnen vor einem v.a. bei den großen Verbindungen manchmal zu beobachtenden behäbigen „Sich Zurücklehnen“, einem selbstgefälligen „Weiter so“, wie auch vor einem trotzigen Rückzug auf die eigenen Häuser. Wenn von Korporationsvertretern nicht selten gefordert wird, man dürfe sich dem Zeitgeist nicht beugen, so scheint mir hierbei oft genug eine isolationistische Mentalität mitzuschwin-gen, die letztendlich fundamentalistische Erstarrung in Kauf zu nehmen bereit ist. Traditionen und Formen sind wichtig, aber sie können Inhalte nicht ersetzen. „Wenn wir uns nicht nur in bierseliger Romantik treffen wollen, sollten wir uns wieder auf die uns gestellten Aufgaben besinnen und sie in unserem Verbindungsleben ernsthaft und kompromißlos zu verwirklichen trachten. Es ist ... kein Zweckpessimismus, sondern ein stets nä-herrückender Alptraum, wenn man sagt, dass die Korporationen zur Zeit ‚leerlaufen‘ und sich in absehbarer kurzer Zeit ‚totlaufen‘, wenn sie nicht schnell zu sich selbst finden.“ Diese Warnung stammt nicht von mir, sondern von einem sehr promi-nenten Cartellbruder, meinem Bundesbruder Dr. Walter Schön, heute Amtschef der bayerischen Staatskanzlei und einer der maßgeblichen Väter der jüngsten Föderalismus-Reform; sie ist nachzulesen in seinem Semesterbrief als Senior des SS 1969, der in unserem Verbindungsarchiv aufbewahrt wird.

Ich habe mich mit Walter Schön vor einigen Jahren lange darüber unterhalten, was die Beweg-gründe waren, die ihn vor fast vierzig Jahren zu einem engagierten Reformer in unserer Gothia machten. Dieser begründete seinen damaligen Standpunkt v.a. damit, dass ihn Ende der 60er Jah-re die Einschätzung umgetrieben habe, dass der CV immer mehr auf die gesellschaftliche Bedeu-tungslosigkeit zutreibe und von der Außenwelt bestenfalls als akademischer Trachtenverein, aber nicht als geistige Elite wahrgenom-men werde. Diese Diagnose halte ich aus meiner Erfahrung heraus, trotz der erwähnten Konsolidierung, in vieler Hinsicht auch heute noch für durchaus aktuell: Gerade an den Universitäten hat der CV heute überwiegend nichts mehr zu bestellen, er wird nicht einmal mehr in nennenswertem Umfang angefeindet, eben weil er als meinungsbil-dende Kraft in den gesellschaftlichen Auseinandersetzungen unserer Zeit nicht wirklich präsent ist. Ich habe Bbr. Schön in dem erwähnten Gespräch gesagt, dass ich der Meinung bin, dass er und seine Mitstreiter damals die richtigen Fragen gestellt hätten, dass aber bis heute noch keine befriedigende Antwort gefunden worden sei. Es genügt ja nicht, wie dies heute oft geschieht, mit modernistischem Schwung gegen scheinbar überholte Formen anzugehen oder in konservativkul-turpessimistischer Attitüde einfach den unaufhörlichen Verfall der traditionellen bürgerlichen Gesellschaft, deren unbe-strittener Teil die Verbindungen waren und sind, anzuprangern oder lar-moyant auf die Achtundsechziger-Seilschaften zumal in unserer Medienlandschaft zu verweisen. Warum, so wird man doch auch fragen müssen, finden die Verbindungen und ihre Anliegen ge-rade auch in der kirchlichen, der konservativ-liberalen oder in der sozial-liberalen Öffentlichkeit und deren Presseerzeugnissen so wenig Resonanz? Ich kann mich des Verdachts nicht ganz er-wehren, dass sich – quer durch alle Verbände und Verbindungen hindurch – hier auch Versäum-nisse der Vergangenheit rächen, dass man durch verbände und verbindungsfixierte Nabelschau und Rückzug auf eine im letzten unpolitische Brauchtumspflege Terrain geräumt hat und ich wünsche mir manchmal, daß der Lobbyismus der Verbindungen, auch bei uns im CV, nur halb so gut wäre wie es unsere Gegner behaupten.

Es ist vor diesem Hintergrund erfreulich, dass sich in unserem Verband in den letzten Jahren ei-niges getan hat und immer noch tut. Ich kann im Rahmen dieser Festrede darauf im Detail nicht eingehen, möchte aber ausdrücklich betonen, dass Cbr. Karlheinz Götz als Vorsitzender des CV-Rats mit seinen Mitarbeitern viele wichtige Entwicklungen angeschoben hat, die geeignet sind, unseren Verband wieder nach vorne zu bringen. Eine zentrale Rolle kommt hierbei den Alther-renverbänden, Gauverbänden und Zirkeln zu. Es ist eben nicht mehr so, dass Verbindung nur in den Universitätsstädten stattfindet und die Philister es sich leisten können, in nostalgischen Gefühlen zu schwelgen. Früher, als Deutschland nur vergleichsweise wenige Universitäten besaß und die Reisemög-lichkeiten bei weitem schlechter waren als heute, hatten Altherrenzirkel die vorrangige Aufgabe, die Bundesbrüder in der „akademischen Diaspora“ zu organisieren, ihnen vor Ort eine couleurstudentische Heimat zu bieten. Diese Funktion bleibt auch heute unver-ändert wichtig, hat doch die größere Mobilität und das mehr an Freizeit keineswegs dazu geführt die Bindungen zwischen aktiver Verbindung und nicht ortsansässiger Altherren-schaft enger geworden wäre. Im Gegenteil: Es ist doch eine unbestreitbare Tatsache, dass die beruflichen und fa-miliären Verpflichtungen gerade die jüngeren Philister – als Philisterconsenior, Hochschullehrer und Vater zweier Kinder spreche ich aus Erfahrung – derart in Anspruch nehmen, dass den Zir-keln die wichtige Aufgabe zufällt, gleichsam Keilarbeit in der Altherrenschaft zu betreiben. Dar-über hinaus sollten sich die Zirkel jedoch auch als Werbeträger für die Ideale ihrer Bünde sehen und sich bemühen, die aktiven Verbindungen insbesondere bei der Nachwuchsgewinnung zu unterstützen, etwa dadurch, dass man beispielsweise versucht, Altherrensöhne oder andere am CV interessierte junge Leute in das Zirkelleben einzubinden, diese also gleichsam vorzu-keilen. Den CV-Zirkeln – es war eine gute Idee unseres Verbandes durch diese Bezeich-nung den über-kommenen Namen „Altherrenzirkel“ zu ersetzen – kommt somit nicht mehr nur die alte Funktion der nostalgiebehafteten „Außenstelle“ in der Ferne zu, sie sind vielmehr wichtige Stützpunkte und unverzichtbarer Teil eines anzustrebenden ver-bindungsstudentischen Netzwerks, das diesen Namen auch verdient. Es ist mir eine große Freude, dass, wie ich höre und mich heute überzeu-gen kann, der CV-Zirkel Geilenkirchen hier eine sehr rege Tätigkeit entfaltet hat, es wäre zu wünschen, dass dieses Beispiel zahlreiche Nachahmer findet.

Was die Wirkungsmöglichkeiten des CV in unsere Gesellschaft hinein anbelangt, so sollten wir v.a. die Bildungspolitik als unsere ureigene Aufgabe begreifen; die unleugbare Krise der Univer-sität ist für unsere Verbindungen eine Chance, Ideen einzubringen. Dass bei vielen Universitäts-leitungen an den Verbindungen kein großes Interesse besteht, ist zwar zweifellos eine Tatsache, doch könnte sich dies durchaus ändern. Schließlich schlummert für die von stetem Spar- und Rechtfertigungszwang gebeutelten Universitäten in Gestalt der Altherrenverbände ein weitge-hend ungenutztes Potential, fühlen sich Verbindungsstudenten ihrer ehemaligen Hochschule doch lebenslang verbunden. Könnten, so frage ich mich, die Korporationen neben anderen Vereini-gungen, wie etwa den Universitätsbünden, nicht die Rolle von Ehemaligenvereinigungen über-nehmen. Die deutschen Universitäten versuchen ja seit einigen Jahren mit unterschiedlichem Erfolg, das US-amerikanische Alumni-Wesen auf die deutschen Verhältnisse zu übertragen; hier hätten, so meine ich, unsere Verbindungen eine Aufgabe und könnten etwas anbieten: Unser „Old Boys Network“ ist immerhin bereits 150 Jahre alt. Dies wäre sicherlich eine Möglichkeit, die im Grunde seit dem Zweiten Weltkrieg zu beobachtende Kluft zwischen Hochschule und Korporati-onswesen zu überbrücken, wäre dieses doch damit wieder integraler Bestandteil des Universitätslebens. Sehr zu wün-schen wäre generell eine Intensivierung der interkorporativen Zusammenarbeit, die gerade den Zirkeln und Altherrenverbänden Anliegen und Aufgabe sein sollte, stehen sie doch den unvermeidlichen alltäglichen Rivalitäten der Verbindungen und Verbände untereinan-der meist gelassener gegenüber.

Zeitgemäße Öffentlichkeitsarbeit kann sich selbstverständlich nicht nur im Mäzenatischen erschöpfen. Darüber hinaus wird es darum gehen, die grundsätzliche Modernität der traditionellen Grundlagen des Verbindungslebens bewusst zu machen. Vor einigen Jahren stieß ich in einer alten Nummer unseres Korrespondenzblatts „Gothia“ auf die Studienerinnerungen unseres frü-heren Philisterseniors Dr. Max Beck, der in den zwan-ziger Jahren aktiv war. Er hob als besonders wichtig bei der Erziehung der Bundesbrüder v.a. die Nach- und Unterordnung der individuellen Interessen unter bzw. hinter die der Verbindung, strenge Beachtung des Comments intern und nach außen, hohes Niveau des Verbindungsprogramms auf allen Ebenen sowie zeitgerechte und anständige Examina hervor. Manch einer in der Corona mag jetzt befremdet sein ob der scheinbar altväterlich-strengen, ja unbarmherzigen Konsequenz dieses Kriterienkatalogs, doch erweist er sich bei näherem Hinsehen als Beschreibung zeitloser Schlüsselqualifi-kationen, die gerade heute in der öffentlichen Diskussion über die Zukunft unseres Bildungssystems vehement eingefordert werden, und von denen beklagt wird, dass sie die Universitäten nicht vermitteln: Soziale Kompetenz, Teamfähigkeit, Sicherheit im gesellschaftlichen Auftreten, Verantwortungs- und Opferbereitschaft, das sind höchst aktuelle Forderungen an den heutigen Studenten, und wem klingt nicht die Forderung nach einer Begrenzung der Studienzeiten im Ohr – auch hier können die Verbindungen also offenbar etwas bieten, wenn sie wollen. Gerade heute, wo die Universitätsstrukturen immer unübersichtlicher werden, wo – vor dem Hintergrund der einschneidenden Veränderungen durch den Bologna-Prozess – Zwang zur Notenleistung und gegensei-tiger Konkurrenzdruck den Studenten zum egozentrischen Einzelkämpfer zu machen drohen, ist die Mitgliedschaft in einer Verbindung in der Tat – um einen oben bereits geäußerten Gedanken wieder aufzugreifen – eine Chance zum unangepassten, „alternativen“ Studium, zum Erwerb von Qualifikationen, die die Universität nicht vermitteln kann, und die ihrerseits wiederum positiv auf das Fachstudium und die späteren Berufschancen zurückwirken. Das Engagement, das die Verbindung fordern muss, wenn sie ihre Prinzipien ernst nimmt, ist keine Einbahnstraße – im Gegenteil, wenn man sich der Herausforderung, die z.B. eine Chargentätigkeit bedeutet, stellt, wird man selbst davon profitieren. Und man wird feststellen, dass die Verbindung etwas bietet, was man weder kaufen, noch durch einen noch so guten Studienabschluss erwerben kann, nämlich die Freundschaftsbande eines Lebensbundes, den mitzugestalten man selbst die Chance hatte.

Lasst mich noch einen weiteren Aspekt kurz beleuchten: Im CV wurde in den letzten 40 Jahren engagiert und manchmal verbissen um das Katholizitätsprinzip gerungen. Diese Debatte scheint mittlerweile Gott sei Dank etwas abgeklungen zu sein, dennoch halte ich es für wichtig, sich ihr zu stellen, rührt sie doch am Fundament unseres Verbandes. Die Befürworter einer Öffnung für nichtkatholische Mitglieder argumentieren meist damit, dass das katholische Milieu heute prak-tisch nicht mehr existiere und man deshalb neue Zielgruppen suchen müsse. Der Befund hinsicht-lich des geschwundenen katholischen Milieus ist zweifellos richtig, doch erinnert die Schlussfol-gerung daraus fatal an die verfehlte Agrarpolitik Chruschtschows: Als dieser wegen der system-immanenten Ineffizienz des sozialistischen Systems die Erträge in den fruchtbaren Gebieten der Ukraine und Südrußlands nicht zu steigern vermochte, ordnete er eine Vergrößerung der Anbau-fläche an. Vorübergehend wurde in der Tat eine Verbesserung erzielt, langfristig scheiterte das Projekt jedoch, weil man nicht die Ursachen der Misere, sondern nur die Symptome bekämpft hatte. Auf uns übertragen heißt das: Es ist sicher richtig, dass unsere Zielgruppe in den letzten Jahrzehnten kleiner geworden ist, dennoch schöpfen wir diese bei weitem nicht aus. Hier gilt es anzusetzen durch Schärfung des Profils, nicht durch dessen Aufweichung. Schauen wir doch zum Vergleich auf die Erfahrungen der katholischen Korporationsverbände, die den Weg der Relati-vierung des Katholizitäts-prinzips vor 30 Jahren gegangen sind, RKDB, KV und UV. Sind diese Verbände deshalb stärker als wir? Nein, im Gegenteil. Der CV sollte deshalb, anstatt in regelmäßigen Abständen immer wieder die gleichen bekannten Argumente auszutauschen, besser darüber nachdenken, wie in unserer heutigen, von religiöser Gleichgültigkeit und nachlassender Kirchen-bindung geprägten Zeit das Katholizitätsprinzip jenseits von angepasstem Beliebigkeitschristen-tum, weltfremder Frömmelei und rückwärtsge-wandtem Fundamentalismus glaubwürdig gelebt werden kann. Hier haben auch die CV-Zirkel eine wichtige Aufgabe, Zellen bekennender Katholizität zu sein. „Wer glaubt, ist nie allein“, sagt unser Cartellbruder Papst Benedikt XVI. Legen wir davon Zeugnis ab in unseren Verbindungen und Zirkeln und setzen so ein sichtbares Zeichen gegen den Zerfall religiöser Werte und die damit verbundenen Folgen für unsere Gesellschaft.

Gerade für unsere Kinder – als Familienvater spreche ich hier aus Erfahrung – und für junge Menschen allgemein ist es von großer Wichtigkeit, Christsein als Ausdruck einer existentiellen Selbstverständlichkeit kennen zu lernen, und durch gelebte Vorbilder Sicherheit in ihrer persönlichen religiösen Entwicklung zu gewinnen. Ein derart rückge-bundenes christliches Leben ist auch fähig hineinzuwirken in unsere kirchlichen und politischen Gemeinden und so, um ein Bild der Heiligen Schrift zu bemühen, zum Sauerteig für eine bessere Zukunft zu werden. Auf diese Weise werden unsere Verbin-dungen auch glaubwürdig für neue, engagierte Mitglieder, die kei-nen Allerweltsverein, sondern eine echte geistige Heimat suchen. Generell meine ich, sollten wir CVer weniger weinerlich sein, auch wenn uns manchmal der Wind ins Gesicht bläst. Gerade in Zeiten, wo Opportunismus und weltanschaulicher Beliebigkeit scheinbar die Zukunft gehören, sind prinzipienfeste kleine Gemeinschaften notwendiger denn je. Dies wurde mir vor einigen Jahren schlagartig wieder bewusst, als ich beruflich in Leipzig zu tun hatte und an einem Abend Zeit hatte, bei der Aktivitas der KDStV Germania vorbeizuschauen. Bei dieser kleinen Verbin-dung, die es in einer überwiegend nicht christlichen Umgebung wahrlich nicht leicht hat, fand ich einen von mir kaum für möglich gehaltenen unver-brauchten, echten CV-Geist vor: Prinzipien-festigkeit statt Anbiederung, Selbstbewusst-sein ohne Arroganz, geistige Offenheit, lebendige Traditionspflege und Mut zum Vertreten des eigenen Standpunkts. Ex oriente lux!? So mancher saturierte CVer könnte von diesen engagierten jungen Cartellbrüdern eine Menge lernen. Auch ich habe mich beschenkt gefühlt.

Ich komme zum Schluss: Es ist aus meinen Ausführungen hoffentlich deutlich geworden, dass richtig verstandenes und praktiziertes Verbindungsleben eine zeitgemäße und unverzichtbare Form der Elitebildung darstellen kann; wir erheben natürlich keinen Ausschließlichkeitsanspruch, aber auf dem „Markt der Möglichkeiten“ unserer pluralis-tischen, demokratisch verfassten Gesellschaft haben wir etwas anzubieten und sollten für unsere Ideale unbeirrt einstehen. Der CV hat das Potential zu einer echten Avantgarde, die aus dem Geist ihrer Prinzipien heraus sich dem Dienst an unserer Republik verpflich-tet weiß. Deshalb scheint mir auch „In necessariis unitas, in dubiis libertas, in omnibus caritas“ eine weiterhin sehr beherzigenswerte Losung zu sein. Ich möchte schließen mit einem Zitat des alten Würzburger Burschenschafters Pöhlmann, der in seiner Geschichte der Würzburger Burschenschaft Germania 1898 schrieb, es gelte „der jüngeren Genera-tion die Tatsache im Gedächtnis zu erhalten, dass ‚Fortschritt‘ die Devise Germania’s von Anfang an war, dass diese Devise unvereinbar ist mit behaglichem Hinstrecken auf das Faulbett des Formen-Cultus, und dass Germania auf die Dauer doch nur durch Hochhal-ten dieser Devise werth und fähig ist fortzubestehen. Wir waren der Hecht im Karpfen-teich; auch heute braucht’s wieder einen solchen. Ist’s Germania nicht, werden’s andere sein; aber ich wollte, es wäre Germania!“

Eine sicherlich zeitlose und nicht nur für Würzburger Germanen beherzigenswerte Forderung, der ich hinzufügen möchte: Ich wollte, es wäre unser Cartellverband!

In diesem Sinne, hohe Festcorona, danke ich für die gewährte Aufmerksamkeit und entbiete Euch ein kräftiges „Glückauf!“ und „Vivant, crescant, floreant Cartellverband et CV-Zirkel Geilenkirchen ad multos annos!“.

21.10.2006, PD Dr. Matthias Stickler (KDStV Gothia-Würzburg im CV), Würzburg
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